Es gibt Momente, in denen einem Anhänger der Low-Volatility-Anomalie das Gefühl beschleicht, man würde analog zu Don Quijote einen Kampf gegen Windmühlen führen. Zwar erfreut sich das Thema risikoloser Aktien zunehmender Beliebtheit; unter dem Streich muss man aber feststellen, dass die Low-Volatility-Anomalie immer noch im Schatten der großen Kapitalmarkttheorien z.B. des CAPM (Capital-Asset-Pricing Models) steht. Warum schafft es die Low-Volatility-Anomalie aber nicht ins grelle Licht der Scheinwerfer? Wo sie übrigens unseres Erachtens hingehören würde!Die Beantwortung dieser interessanten Frage eröffnet Ihnen im Folgenden einen detaillierten Blick, wie wissenschaftliche Forschung in der Finanzindustrie funktioniert.
Zuerst möchte ich es aber nicht versäumen, Ihnen zwei wissenschaftliche Publikationen zur Low-Volatility-Anomalie zu empfehlen. Dies nur um Ihnen die Möglichkeit zu geben, die Ausführungen unseres blogs zu überprüfen:
- Baker M, Bradley B, Wurglar J, ‘Benchmarks as Limits to Arbitrage: Understanding the Low-Volatility Anomaly’, Financial Analysts Journal, 67(1), 2011.
- Blitz D, Van Vliet, P, The Volatility Effekt: Lower Risk without Lower Return; Journal of Portfolio Management, Augabe Herbst , 102-113.
Im nächsten Schritt darf ich Ihnen versichern, dass Wirtschaftswissenschaftler weltweit auf sehr vergleichbare Datenbanken zugreifen. Wir können an dieser Stelle so gut wie sicher ausschließen, dass die geringe Resonanz der Anomalie durch unterschiedliche Datenbanken oder zu erklären ist. Es muss also einen anderen Grund geben, warum die Indizien so lange unberücksichtigt geblieben sind.
Entscheidend für das Auftreten der Low-Volatility-Anomalie ist nämlich die Wahl des betrachteten Zeitraumes.
Damit Wirtschaftswissenschaftler in Ihren Untersuchungen auf die Low-Volatility-Anomalie stoßen, ist es unumgänglich, lange Datenreihen als Basis der Untersuchungen heranzuziehen. Mindestens mehrere Jahre, besser sogar Jahrzehnte. Desto länger der Zeitraum der Untersuchung, je klarer treten die Ergebnisse hervor. Dieser Umstand ist insofern logisch, da bei langen Datenreihen automatisch mit der sogenannten geometrischen Durchschnittsrendite gearbeitet wird. Um es ein wenig umgangssprachlich zu formulieren: die geometrische Durchschnittsrendite ist Ihre reale Rendite, welche Sie bekommen hätten, wenn Sie eine Aktie über einen langen Zeitraum gehalten hätten.
Im Gegensatz dazu ist die Forschung aber auf kurze Zeiträume, sogenannte „Ein-Perioden-Renditen“ fokussiert. Warum Sie das interessieren sollte? Ein Beispiel:
Periode 1 (z.B. Januar): -20%